Ein Blick in den Eresinger Garten

Es ist Mitte Mai. Eigentlich die Eisheiligenzeit. Doch Frost wird uns vermutlich erspart bleiben. Der Apfelbaum blüht, Waldmeister und Maiglöckchen zeigen Knospen, an der südlichen Hauswand hat sich die erste Iris germanica 'Florentina' entfaltet. In der Farbe nicht ganz reifer Zitronen leuchtet die Goldwolfsmilch, Euphorbia polychroma. Aus einer Pflanze sind im Laufe der Jahre 10 geworden: Scheinwerfer im Frühlingsgarten. Auf einen Tag Wärme und Sonne warten die Päonien. Am weitesten hat sich die Netzblatt-Pfingstrose, Paeonia tenuifolia vorgewagt, fast blüht sie schon. Flankiert wird sie von Luzula nivea, der Schneemarbel, die auch in ein paar Tagen zu blühen beginnt. Ergänzt wird das weiß-rote Spiel durch die blauen Kerzen von Ajuga reptans, dem Günsel. Er ist in diesem Garten allgegenwärtig, ohne lästig zu werden. Die weiße Form von Ajuga reptans hat sich unter der zweifarbigen, mächtig wuchernden Gallica-Rose 'Versicolor' ausgebreitet.

Zurück zu den Päonien: Die Zahl der Wildpäonien, Paeonia officinalis, nimmt von Jahr zu Jahr zu. Bis auf wenige, die sich mitten auf einem Weg ansiedeln wollen, nehmen sie Plätze ein, die auch ein versierter Gartengestalter nicht besser finden kann: am Gehölzrand, meist irgendwie angelehnt, aber auch mitten im Senkgarten. Und alle zeigen dicke dunkelrote Knospen, ein wunderschöner Zustand der Erwartung. Die Einzelblüte später vergeht in ein-zwei Tagen. Aber da die 'Baldo'-Pfingstrosen unter verschiedensten Lichtverhältnissen stehen, zieht sich ihre Blüte über eine lange Zeit hin. Und danach geht es ja weiter. Es folgt die Bauernpfingstrose, Paeonia officinalis 'Rubra Plena', dann eine einfach blühende Officinalis-Hybride mit dem Namen 'Crimson Globe', die sich durch unglaublich feste Blütenstiele auszeichnet, die nie hochgebunden werden müssen. Und es wird schon fast Sommer sein, wenn die asiatischen Edelpäonien den Reigen abschließen.

Ein ähnliches Nacheinander trifft für die Taglilien zu. Hier ist Hemerocallis minor der Vorreiter, die ersten Blüten sind geöffnet. Die ebenfalls sehr frühblühende Hybride 'Maikönigin' steckt im Knospenstadium. Noch weiter zurück ist die Wiesen-Taglilie Hemerocallis lilioasphodelus. Da diese Art recht schattenverträglich ist, erleben wir ihre Blüte im Abstand von 10 Tagen zweimal. Zuerst in der vollen Sonne und dann an der Westseite des Hauses unter dem Boskoop. Die später blühende Hemerocallis citrina wurde in Eresing regelmäßig von der Gallmücke befallen, bekam aufgedunsene Knospen, die viele Maden enthielten. Daraufhin ist die 'Citrina' nach Jamlitz umgesiedelt worden, wo es ihr ausgesprochen gut geht. Überhaupt scheint der jamlitzer Sand der bessere Standort für die Taglilien zu sein.


Text und Fotos: Christian Seiffert

Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
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