Frühlingsbotin und Zierde des Kaiserreichs

Text: Antje Peters-Reimann
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer

Die Pfingstrosen (Päonien) verdanken ihren botanischen Namen einem recht drastischen antiken Mythos. Diesem zufolge bediente sich der göttliche Arzt Paeon dieser Pflanze, um den verletzten Pluto nach seinem Kampf mit dem ruhmreichen Herkules zu heilen. Jedoch war Paeons Lehrer Asklepios über den spektakulären Heilerfolg seines Zöglings so erbost, dass er diesen töten ließ. Der dankbare Pluto jedoch verwandelte die Pflanze, die zu seiner Heilung geführt hatte, in eine wunderschöne Pflanze, der er aus Dankbarkeit den Namen „Paeonia“ gab. Bei uns trägt sie den schönen Namen Pfingstrose, weil sie ungefähr um die Zeit des Pfingstfestes blüht. Mit Rosen hat sie botanisch allerdings nichts gemeinsam, auch wenn der Duft einiger Pfingstrosen entfernt an Rosenduft erinnert.

Im asiatischen Kulturkreis spielt die Pfingstrose eine bedeutende Rolle. So gilt in Japan eine Frau dann als besonders schön, wenn sie „im Stehen wie eine chinesische Pfingstrose, im Sitzen wie eine Strauch-Pfingstrose“ aussieht „und die Art, wie sie läuft, [an] die Blüte einer Lilie“ erinnert. In China gilt die Pfingstrose seit jeher als „Zierde des Kaiserreichs“ und als ein Symbol von Reichtum und Vornehmheit, aber auch von Liebe und der Sanftmut Buddhas. In der europäischen Malerei hat die Pfingstrose spätestens seit dem Mittelalter auf vielen Bildern ihre Spuren hinterlassen. Kein Wunder, denn sie ist eine bedeutende Marienpflanze. Maria wurde im Mittelalter oft zusammen mit einer Pfingstrose dargestellt, also einer „Rose ohne Dornen“, um sie von der „sündigen“ Eva abzusetzen. So findet man die Pfingstrose beispielsweise in dem Bild „Paradiesgärtlein“ des Niederrheinischen Meisters oder auch in Martin Schongauers Gemälde „Madonna im Rosenhag“ von 1473 einträchtig zusammen mit „normalen“ Rosen. Außerhalb der sakralen Kunst haben sich in späteren Zeiten so bekannte Maler wie Édouard Manet, Auguste Delacroix und Pierre-Auguste Renoir die Pfingstrose als Sujet gewählt. Hier sehen wir allerdings meist nicht die Bauernpfingstrose, sondern die Strauchpfingstrose, die der berühmte Botaniker, Pflanzenjäger und Naturforscher Sir Joseph Banks Anfang des 19. Jahrhunderts als Pflanzenbeute von seinen Forschungsreisen mit nach Europa brachte.

Dass die Pfingstrose heilende Kräfte in sich trägt, dachte übrigens nicht nur der griechische Gott Paeon. Auch in unseren Breiten waren die Wurzeln der Pflanze fester Bestandteil der Volksmedizin. Die mittelalterliche Ärztin und Mystikerin Hildegard von Bingen wusste von der Pfingstrose zu berichten: „Wenn ein Mensch geisteskrank wird, so dass er nichts mehr von sich weiß und in Ekstase daliegt, dann soll man Päonienkörner in Honig tauchen und auf seine Zunge legen“. Auch Hexen und Zauberer vertrauten auf die Kraft der Pflanze, von der man annahm, sie sei unter dem magischen Einfluss des Mondes entstanden. So hüllten sie etwa die Wurzeln der Pflanzen in roten Stoff ein oder schnitzten aus dem Wurzelholz kleine Perlen, um daraus magische Amulette herzustellen. Diese sollten ihren Träger vor Unheil schützen, Kinder vor gefährlichem Fieber bewahren und Alpträume verhindern. Wenn man sich um Mitternacht in den Besitz einer Päonienwurzel brachte, konnte einem diese „Springwurzel“ dabei helfen, verschlossene Türen zu öffnen und verborgene Schätze zu finden. In den Klostergärten des Mittelalters gehörte die Pfingstrose klassisch zu den Heilpflanzen, die von heilkundigen Mönchen verwendet wurden. So gelangte sie wohl auch zu ihrem früher häufig verwendeten Volksnamen „Benediktinerrose“. Doch die Pfingstrose blieb nicht hinter Klostermauern versteckt - vor allem in den Bauerngärten wurde sie schnell heimisch und ist es als so genannte „Bauernpfingstrose“ noch heute.

Antje Peters-Reimann
Antje Peters-Reimann ist Gartenhistorikerin und Journalistin in Essen. Sie hat sich der Geschichte der Gartenkunst verschrieben und berichtet berichtet über bekannte und unbekannte Gärten und ihre Schöpfer und erzählt spannende »grüne Geschichten«!...
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Text: Antje Peters-Reimann
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer