Samen, Saatgut etc.

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Teil 4

Die Sonne spendet Wärme und Licht, sie ist der Quell allen Lebens. Und sie ermöglicht die Evolution, die Weiterentwicklung der lebenden Welt. Ihre kurzwellige Strahlung im unsichtbaren Bereich sorgt für ständige genetische Veränderungen aller Lebewesen. Die meisten Genveränderungen durch Strahlung werden allerdings durch ein Sicherungssystem wieder korrigiert. Wenn nicht, dann spricht man von Mutationen. Dabei entstehen Formen, die sich bewähren, andere gehen als »Fehlkonstruktion«, oder weil sie nicht zur gegebenen Umwelt passen, zu Grunde.
Das immer wieder neue Angebot der Natur ermöglichte es den Menschen, durch Auslese jene Pflanzen zu schaffen, die heute unsere Kulturpflanzen sind. Viele dieser Kulturpflanzen wären in der Natur nicht lebensfähig, sie sind auf die Kultur durch den Menschen angewiesen.
Die Auslese ist zwar die einfachste, aber auch die bedeutendste Züchtungsmethode. 10 000 Jahre lang war sie – und ist es noch heute – von Erfolgen gekrönt.

Der Mensch beginnt zu züchten

Im 19. Jahrhundert wollten sich die Züchter damit nicht mehr begnügen. Die Sexualität der Pflanzen war nun bekannt, Mendel hatte die Vererbung erforscht. Man begann zu kreuzen, um Eigenschaften verschiedener Elternpflanzen zu kombinieren. Das funktionierte gut innerhalb einer Art, war schwieriger zwischen verschiedenen Arten. Wenn es gelang, entstanden sogenannte »Hybriden«. Näheres dazu finden Sie unter »eine Tomate namens Heterosis«

Menschengemachte Mutanten

In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts hat man sich mit den naturgeschaffenen Mutationen nicht mehr begnügen wollen. Mit Röntgenstrahlen, dem Gift der Herbstzeitlose (dem Colchicin), mit Kälte- und Wärmeschocks, Chemikalien oder radioaktiver Bestrahlung der Samen oder Pollen wurden und werden unabhängig von der Sonne Mutationen ausgelöst. Aus der riesigen Zahl an Mutanten, von denen die meisten untauglich sind, konnte man gewünschte neue Formen auslesen. So sind z.B. die Nektarine, der glatthäutige Pfirsich und der Brokkoli aus einer »künstlichen« Mutation hervorgegangen.

Pflanzen aus dem Baukasten

Eigenschaften nichtverwandter Pflanzen zu kombinieren, ja sogar die von Bakterien mit einer Kulturpflanze zu vereinen, aus diesen Wunschträumen ist in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts die Gentechnik hervorgegangen. Voraussetzung war die in dieser Zeit gelungene Analyse des Genoms, der DNA von Pflanzen und Tieren. Wie wäre es, Pflanzen Resistenzen einzubauen? Dieser zunächst einmal positive Ansatz ist schon deshalb abwegig, weil er die Regelsysteme der Natur außer Acht lässt. Bislang gelang es Schadorganismen immer (durch Mutation!) Stämme zu entwickeln, die die Resistenzen aufbrachen. Von kommerzieller Schamlosigkeit zeugt es aber, wenn Pflanzen Resistenzen gegenüber bestimmten Herbiziden, also Unkrautbekämpfungsmitteln, eingepflanzt werden. Diese Verbindung vom Saatgutgeschäft mit dem Pestizidgeschäft nimmt den Landwirten die Freiheit des Handelns.
Aber was ist Gentechnik eigentlich? Sie ist die Neukombination von Erbmaterial, die auf natürlichem Wege kaum zustande kommen würde. Erbinformationen werden aus einer Art isoliert und mit verschiedenen biotechnischen Methoden in den Erbgang einer anderen Art eingesetzt. Heute benutzt man als Genüberträger vor allem einen allgegenwärtigen Pflanzenparasiten namens Agrobacterium tumefaciens, der im Verdacht steht, auch in der Natur als Genüberträger zu wirken.

Terminator-Saatgut

Wenn ein Bauer die Patent-Gebühren für das genveränderte Saatgut nicht bezahlen will und nachbaut, dann kommt er vor den Kadi, oder er wird in nicht ferner Zukunft mit Terminator-Saatgut bedacht. Dabei handelt es sich z.B. um ein Getreide, das normal angebaut werden kann, dessen Nachbau aber unmöglich ist, weil das Erntegut nicht keimfähig ist. Solch ein »Selbstmordgetreide« ist in Arbeit, vor allem in Kanada ist man darum bemüht. Die Folgen wären verheerend. Hat solch ein Getreide überhaupt noch einen vollen Nährwert? Auch trüge Terminator-Saatgut ganz wesentlich dazu bei, den Neokolonialismus auf schreckliche Weise zu vervollkommnen.

Im nächsten Beitrag geht es um die unendlich vielen landschaftsgebundenen Nutzpflanzen-Landsorten, deren Schicksal in Gefahr ist.

Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
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Text und Fotos: Christian Seiffert